Liebe Trauergäste

Neben dem Sarg stehend blickt der Redner bleich in die schwarzen Reihen vor ihm.

„Norman war mein bester Freund. Er hat mich in seinen letzten Tagen gebeten, seine Trauerrede zu halten, obwohl er ahnte, wie schwer mir das fallen würde.

Wir alle kannten Norman als humorvollen Menschen, der das Lachen über alles liebte, auch gerade das Lachen über sich selbst. Ich erinnere mich an eine Situation, die so typisch war für ihn und die sein Leben auf immer verändern sollte.“

Stille.

„Es war im kalten Schneewinter 1985. Wir wohnten in einem kleinen Hotel und wärmten abends unsere Knochen in der Sauna. Schwitzend kam Norman auf die Idee, wir könnten uns draußen mit einem Sprung in den Schnee abkühlen. Also hüpften wir nackt durch den Kellerausgang hinaus in eine Schneewehe, prusteten, kreischten und lachten. Als wir eilig in die Hitze der Sauna zurückkehren wollten, fanden wir jedoch die Kellertür verschlossen.“

Die Trauergäste rutschen hörbar auf ihren Sitzen herum. Etliche schmunzeln, viele pressen die Lippen zusammen.

„Wir rüttelten erfolglos am Türknauf. Uns wurde klar, dass wir den Vordereingang benutzen mussten, wenn wir nicht erfrieren wollten. Und wir mussten an der attraktiven, jungen Frau hinter dem Rezeptionstresen vorbei.“

Einige Trauergäste halten sich eine Hand vor den Mund. Manche blicken sich unsicher um.

„Wir schritten also nackt und erhobenen Hauptes durch die Drehtür in die hell erleuchtete Halle und griffen uns jeder einen Prospekt für Candle-Light-Dinner, mit denen wir uns notdürftig bedeckten. Norman wandte sich an die herzlich lachende Empfangsdame: ‚Heute ist es aber wirklich kalt draußen.‘ “

Überall wird gekichert, geprustet, zwei oder drei Lacher sind zu hören, andere unterdrücken qualvoll jede Heiterkeit oder legen beide Hände vors Gesicht. Tränen werden getrocknet.

„Die Rezeptionistin, die dann vierzig Jahre Normans Ehefrau war, antwortete:

‚Der Wetterbericht empfiehlt für heute Mütze und Handschuh…‘ “

Alle lachen und weinen gleichzeitig. Ein würdiger Abschied.