Woher der Mut?

Woher der Mut?

von Paul Wlaschek (c) 2023

Mut ist auf das Engste verknüpft mit Hoffnung, sogar der Mut der Verzweiflung. Wie steht es um unsere Hoffnungen in diesen Tagen?

Halte ich es für realistisch, dass künftige Kriegsverbrechen verhindert werden? Nein.

Kann ich erkennen, dass die hysterische Gewinnmaxime irgendwann an Einfluss einbüßt? Nein.

Glaube ich, dass wir die Überschreitung von Klimakipppunkten vermeiden werden? Nein.

Sehe ich, dass die Vernichtung von Nahrungsmitteln bald ein Ende haben wird? Nein.

Erwarte ich, dass häusliche Gewalttäter zur Vernunft kommen? Nein.

Kann ich mir vorstellen, dass Korruption zu einem vernachlässigbaren Problem wird? Nein.

Beobachte ich, dass gesellschaftliche Gruppen zu mehr Gemeinsinn finden? Nein.

Werde ich erleben, dass die Plastikteppiche aus den Meeren entfernt werden? Nein.

Ist es für mich plausibel, dass Autokratie und Menschenrechte vereinbar sind? Nein.

Erscheint es mir möglich, dass der Einfluss religiöser Fanatiker unterbunden wird? Nein.

Erfahre ich, dass Nationalismus zugunsten globaler Lösungen zurückgedrängt wird? Nein.

Meine ich, dass die neuen Herrenmenschen von der Demokratie im Zaum gehalten werden? Nein.

Gibt es für mich Anzeichen, dass Staaten und Konzerne den Missbrauch privater Daten beenden werden? Nein.

Welche Hoffnung bleibt mir für unsere Zukunft? Oder sind wir dazu verdammt, dem Unrecht, der Unvernunft, der Unmenschlichkeit auf ewig hinterherzurennen, um die hinterlassene Verwüstung in der Zivilisation aufzuräumen?

Ein Pflänzchen gibt es, denke ich, dass noch nicht totgetreten ist. Es heißt Bildung und ist wenig mehr als eine Aussaat, von der man nicht erwarten darf, dass sie eilig Früchte trägt. Aber eines Tages wird sie Früchte tragen, das darf man hoffen. Und die Früchte der Bildung enthalten ein Gegengift für alle Vergiftungen, an denen unsere Welt heute leidet und auch morgen sicher noch leiden wird.

Der Mut zur Bildung ist nicht spektakulär, eher still, er schafft keine Bildsprache für die Medien. Der Mut zur Bildung ist für viele eigentlich gar kein Mut, weil er scheinbar keiner Angst gegenübersteht, er erscheint eher als so etwas wie Ausdauer, Geduld, Beharrlichkeit. Aber gerade darin besteht der Mut: das Unrecht auszuhalten und doch an einer besseren Zukunft zu arbeiten.